21. Juni 2024

Kokaininsel mit Charme

Auf der Seekarte sieht man Providencia nur, wenn man stark reinzoomt, so winzig klein ist die Kokaininsel mit Charme. Providencia gehört zu Kolumbien, obwohl die Insel viel näher an Nicaragua liegt. Hier werden Traditionen hochgehalten und Massentourismus gibt es nicht. 2020 zerstörte ein Hurrikan die Infrastruktur der Insel fast vollständig, doch die Inselbewohner beklagen sich nicht darüber, sondern sagen, der Hurrikan sei ein Segen für sie gewesen.

Für uns ist Providencia ein erholsamer Zwischenstopp auf dem Weg nach Panama. Eine Verschnaufpause, um mit den grauen Riffhaien zu tauchen und die Festtage mit unseren Freunden von SV My Motu zu verbringen. Bald aber merken wir: Providencia hat auch dunkle Seiten.

Providencia hat noch unberührte Natur

Auf Providencia fühlen wir uns sofort willkommen. Die Insel empfängt uns mit Wärme und Musik und bald erkennen wir die Leute wieder. «Da, der Rastaman, den wir vorher in der Bäckerei gesehen haben, jetzt sitzt er am Pier! Dort, die alte Frau mit dem großen Hut vom Hühnchen Stand!» Die Insel ist so klein, dass, auch wenn man wollte, niemand verloren gehen kann.  

Eine Band spielt am Hafen

In Providencia werden alte Traditionen gepflegt, so auch die Musik. Eine Musikgruppe spielt am Pier mit ungewöhnlichen Instrumenten. Einer hält einen Pferdeschädel in der Hand. Mit einem Stab schabte er über die Zähne des Pferdegebisses, um den rhythmischen Boden des Songs zu legen.

Doch Providencia verwirrt uns auch. Hier sprechen die Leute Kreol, Englisch und Spanisch, obwohl die Insel eigentlich zum Spanisch sprechenden Kolumbien gehört. «Kreol war die Geheimsprache unserer Vorfahren, damit ihre englischen Sklaventreiber sie nicht verstanden», sagt Justiffer unser Tauchguide. Die Babylonische Insel erinnert daran, dass sie mehrfach die Hände ihrer Besitzer gewechselt hat und die ehemaligen Sklaven nicht wollten, dass ihre Sklaventreiber sie verstehen. Christoph Kolumbus soll hier zwischen 1492 und 1500 Anker geworfen haben. Anfang des 17. Jahrhunderts eroberten die Engländer Providencia und schleppten afrikanische Sklaven auf die Insel. Ende des 18. Jahrhunderts raubten dann die Spanier Providencia, die, genauso wie die Nachbarinsel San Andrés, 1822 Teil von Kolumbien wird, obwohl sie näher an Nicaragua liegen. Seither siedelt Kolumbien seine Festlandbewohner hier an, um ihren Machtanspruch zu zementieren.

Blick über die Bucht vor dem Hauptdorf

Nicaragua ist unglücklich über diese Territoriums Verteilung. Nicaragua anerkannte das im Abkommen von 1928 zwar, überlegte es sich dann später anders und zog 2001 vor den Internationalen Gerichtshof, um die Inseln und Meeresgebiete, die fischreich sind, für sich zu beanspruchen. Nicaragua verlor vor Gericht, doch der Streit zwischen Nicaragua und Kolumbien bleibt weiter bestehen – und das birgt bis heute politischen Sprengstoff.

Providencia hat ungefähr 5000 Einwohner und ist so klein, dass wir die Insel in vierzig Minuten in einem Golfwägelchen umrunden können, was wir auch tun. Wir liegen geschützt in der Bucht beim Hauptort, der aus wenigen Häusern besteht. Nach unserer Ankunft müssen wir zuerst zu Mr. Bush, dem lokalen Agenten für Cruiser, um uns und Mabul einzuklarieren. Mr. Bush liegt noch im Bett, als wir an seine Tür klopfen und muss sich zuerst die Hose anziehen. Er will unsere Pässe sehen und die Bootspapiere, aber das war’s dann auch schon. Dann erzählt uns Mr. Bush, was diese Insel so toll macht: «Die Leute Mann, die Leute! Nirgends sonst werdet ihr so nette Menschen treffen! Hier kommt nichts weg, nichts wird gestohlen.» Bald werde ich erfahren, was er meint.

Providencia erkunden wir mit einem besseren Golfcart

Mr. Bush führt seit über vierzig Jahren eine Agentur, Import- Export, Yachtservices, Einklarieren, Ausklarieren etc. Zur politischen Geschichte und dass Nicaragua schon lange Anspruch auf die Insel anmeldet, will er nichts sagen. Zu politisch, zu heikel. Kolumbien sei super und sie gehörten zu Kolumbien, denn Kolumbien schauen ihnen gut. Das zeigte sich tatsächlich, nachdem Hurrikan Iota im November 2020 fast zu hundert Prozent die Infrastruktur der Insel zerstörte. Danach hätten sie mit der Hilfe von Kolumbien, der EU und anderen Nationen ihre Insel komplett wieder aufbauen können, sagt Mr. Bush: «Der Hurrikan war ein Segen für die Insel.»

Als wir über die Insel fahren, sehen wir, dass alles neu ist: Neues Spital, neue Polizeistation, alle Häuser sind neu. Es hat sogar Geldautomaten, die auf Anhieb funktionieren. Ich muss etwas gedankenverloren gewesen sein, als ich Geld abhob, denn ich nahm zwar das Geld entgegen, vergaß dann aber meine Karte im Automaten – und merkte es nicht einmal. Da erlebe ich am eigenen Leib, was Mr. Bush sagte: «In Providencia wird nichts gestohlen.» Ein paar Tage nach meinem Besuch am Geldautomaten erhalte ich eine Nachricht über Instagram von einer mir unbekannten Person. Sie habe meine Bankkarte und wolle mir sie zurückgeben. «Spam», denke ich, schaute dann aber trotzdem nach und stelle fest, dass die Karte tatsächlich weg ist. So treffe ich Melissa, die Inselbewohnerin, die mir geschrieben hat, in einem Café im kleinen Städtchen. Sie ist 30 Jahre alt, Sozialarbeiterin, hat in Kolumbien studiert und ist auf der Insel aufgewachsen.

Mr Bush, der Mann für alles

Providencia sei heute ruhig, aber früher sei es noch viel, viel verschlafener gewesen. Autos und Motorräder habe es nicht gegeben, alle seien mit den Pferden unterwegs gewesen. Der Zusammenhalt in der Gemeinschaft sei enorm gewesen und sei es bis heute, sagt Melissa. Auf Providencia gab es keinen Überfluss, deshalb legte man zusammen. Eine Familie hatte Tomaten, eine andere Karotten, Kokosnussmilch oder Fisch. Am Abend seien alle zusammen gekommen mit ihren Gaben und hätten alles in einen Topf auf einem Holzfeuer geworfen. So entstand das Nationalgericht: der Rondon, ein Eintopf. «Dieser Eintopf ist nicht nur ein Gericht, sondern er eint die Gemeinschaft, weil alle etwas dazu beitragen. Zudem werden beim Kartoffelschälen Probleme besprochen und der neuste Tratsch ausgetauscht», erzählt Melissa.

In Providencia werden diese Traditionen – sei es Essen, Tanz oder andere Gepflogenheiten – bis heute gepflegt, anders als auf der Nachbarinsel San Andrés. Diese sei komplett vom Massentourismus verschluckt worden, mit den Problemen, die damit einhergehen – Umweltprobleme, Kriminalität, Überbevölkerung, sagen uns viele Inselbewohner. Auf Providencia aber gibt es keine großen Hotels, eine Entscheidung, die ganz bewusst von den Inselbewohnern gefällt worden war, um ihre Insel und deren Geist zu bewahren. «Aufgrund der langen Geschichte unterschiedlicher Invasoren, glauben hier viele, dass alles, was von außen kommt, per se schlecht ist», sagt Melissa. Deshalb hätten die Traditionalisten immer das Sagen gehabt, im Vergleich zu den Reformern und Erneuerern und das sei manchmal auch frustrierend, so die junge Inselbewohnerin. Das ging so weit, dass der Kauf einer Entsalzungsanlage für die Insel verhindert wurde, obwohl Wasser ein riesiges Problem war.

«Es gibt keine Flüsse oder Quellen auf der Insel und das einzige Wasser, das die Insel hat, ist Regenwasser, das gesammelt wird», sagt Melissa. Seit ihrer Kindheit habe sie sich entscheiden müssen: Dusche ich oder wasche ich das Geschirr oder koche ich?

An vielen Orten findet man unbewohnte Fassanden wie hier

Der Hurrikan änderte vieles. Zuerst kam das Chaos. Noch nie war ein so starker Hurrikan über die Insel gezogen. Alles war weg, alles zerstört, auch alle Dokumente, Register und Belege. Der Wiederaufbau sei überhaupt nicht gerecht oder fair verlaufen, sagt Melissa: «Leute, die eigentlich nur ein Haus gehabt hatten, bekamen auf einmal zwei, weil es keine Bücher mehr gab, in denen man nachprüfen konnte, wer was besessen hatte, aber weil sie die richtigen Kontakte hatten.» Das habe böses Blut gegeben und am Gemeinschaftssinn gekratzt. Doch mit den vielen NGOs und Hilfslieferungen kamen auch Verbesserungen. Drei Entsalzungsanlagen wurden auf die Insel gebracht und große Solarpanelen und das habe das Leben aller verbessert. Wasser sei heute kein Problem mehr. Man könne Duschen, abwaschen, kochen – alles gleichzeitig und immer, sagt Melissa.

Für Melissa war der Hurrikan also Ruptur, Ungerechtigkeit und Verbesserung zugleich und wenn sie jetzt ihre Gemeinschaft betrachtet, dann sieht sie etwas: «Resilienz, das macht uns aus und Zusammenhalt.» Und darauf ist sie stolz.

Und dann erzählt sie mir, welche Anstrengungen sie unternommen hatte, um mich zu finden und mir die Karte zurückgeben zu können. Als sie meine Karte im Bankomaten sah, wusste sie, dass der Name darauf kein Inselname war. Zudem glaubte sie, ich sei ein Mann. So schrieb sie allen Posadas, den kleinen Hotels auf der Insel, ob jemand einen Karin Wenger beherberge, aber niemand antwortete. Dann suchte sie die sozialen Netzwerke ab und fand eine Karin Wenger, die segelt.

Den leuchtenden Weihnachtsbaum sieht man von Weitem

Ein Bild sprang ihr sofort ins Auge: Ein Foto auf dem Alex und ich mit unseren Freunden von SV My Motu zu sehen sind, hinter uns ein großer Lichterweihnachtsbaum, den Jeroen am Mast vom Boot befestigt hat. Was wir nicht wussten und was uns Melissa erzählt: Alle Inselbewohner bewunderten diesen Weihnachtsbaum und stoppten an der Promenade, um ein Foto von My Motu und dem Weihnachtsbaum zu machen. Diese Karin Wenger also, kombinierte nun Melissa, musste auf diesem Boot leben, musste also die Seglerin sein. Und so schrieb sie mir und wir trafen uns.

Melissa und ihr Freund besuchen uns an Bord, wo wir Geschichten und Spaghetti teilen – und natürlich ein Foto mit dem Weihnachtsbaum für ihr Instagram machen. Obwohl karibisch heiß, weihnachtet es auch auf der Insel. Weihnachtslieder werden in den kleinen Läden gespielt, My Motu’s Weihnachtsbaum leuchtet hell und Aagje bereitet ein ganz wunderbares Weihnachtsessen für uns zu, holländische Schlemmereien.

Am Tag nach Weihnachten tauchen wir zum ersten Mal ab. Wir tauchten mit Justiffer – einem Rastafari von Felipes Tauchzentrum. Er versicherte uns, dass wir in den Gewässern von Providencia zu 99.9 Prozent Haie sehen. «Chillen» sollten wir, uns entspannen….Und er hat Recht, kaum abgetaucht, kommen die grauen Riffhaie und beäugen uns neugierig.

Kurzes Briefing von Justiffer, schon schwimmen wir inmitten von Riffhaien

Wir tauchen sechs Mal mit Felipes Jungs und jedes Mal kommen die grauen Tiere, beäugen uns, drehen ab und kommen wieder. «Die sind nicht gefährlich», sagte Jim, ein anderer Tauchguide «Die Riffhaie haben sich an die Taucher gewöhnt.» Das hat auch mit den Feuerfischen zu tun. Die Feuerfische, eine invasive Spezies aus dem Indo-Pazifik, die von Aquarienbesitzern in der Karibik ausgesetzt wurden, vermehren sich wie die Pest. Deshalb werden sie von den Tauchern gejagt und an die Haie verfüttert – und man beißt ja nicht die Hand von dem, der dich füttert. Obwohl: Zweimal sei bereits ein Taucher hier von einem Hai gebissen worden, sagt Justiffer. Weil die Taucher die Haie anfassen wollten. «Don’t do it! Haie sind keine Katzen», warnt Justiffer.

Die Haie beobachten uns genauso ausführlich, wie wir sie.

Was wir auch sehen, wie an vielen anderen Orten in der Karibik: Das Riff ist bis auf zehn Meter unter der Wasseroberfläche weiß gebleicht und krank. Es ist die direkte Folge der steigenden Wassertemperaturen. Von weißen Korallen, kommen wir auf das weiße Pulver zu sprechen. Vor einem Monat seien ein paar Pakete Kokain auf der anderen Seite der Insel angeschwemmt worden, erzählen die Tauchguides. Entweder habe das Drogenschiff – oft sind das kleine Boote mit großen Motoren – Schiffbruch erlitten oder sei von der Küstenwache verfolgt worden und habe seine Fracht über Bord geworfen. Wer solche Pakete finde, werde reich oder umgebracht. Mehr wollen sie bei unserem ersten Tauchtrip nicht sagen, aber solche Geschichten brauchten Vertrauen und das kommt mit der Zeit. Wir werden noch mehr Tauchtrips machen.

Reines Weiß, bald kommen die braunen Algen und das wars.

Dieses kleine Paradies, das so wunderschön grün im Blau leuchtet, hat auch seine Schattenseiten. Providencia liegt auf der Kokain-Route zwischen Kolumbien und dem Norden mit Endziel USA – und die Inselbewohner und manchmal auch ein vorbeifahrender Segler mischen kräftig mit. Kolumbien produziert rund 60 Prozent des Kokains in der Welt, gefolgt von Peru und Bolivien.

Providencia und der Drogenhandel, das gehöre zusammen seit sie denken könne, sagt Melissa. Die Verlockung des schnellen Geldes lasse viele Inselbewohner im Drogengeschäft mitwirken und viele würde dieses riskante Geschäft das Leben kosten.

Wir genießen den Strand und eine Reggae Bar

Zum ersten Mal von der Beziehung zwischen Kokain und Providencia erfahre ich zufällig. Wir haben einen kleinen Golfwagen gemietet und sind auf die Luv Seite der Insel gefahren, weil wir uns dort ein traditionelles Segelrennen mit traditionellen Booten anschauen wollen. Da der Start nach Inselzeit abläuft, also verzögert ist, gehen wir zuerst in die Strandbar, wo ich mit dem Barkeeper zu plaudern beginne, während er mir einen Pina Colada mixt. «Von wo kommst du?» «Aus der Schweiz, aber wir leben auf dem Segelboot.» «Cool! Ich kannte einen Segler, einen Spanier. Er hat ein Kilo Kokain mit nach Europa genommen und sich dabei eine goldene Nase verdient. Wie wär’s?»

Mehrere Zehntausend Dollar könnten wir verdienen, wenn wir ein Kilo Kokain nach Europa oder in die USA brächten, sagt er. Als ich gemütlich mit meinem Drink in der Hängematte sitze, schickt er mir bereits mehrere Fotos: Eines von Cannabis, eines mit Magic mushrooms und eines von einem Pack des weißen Pulver.

Die Masten stehen, es kann jederzeit losgehen

Dann beginnt die traditionelle Segelregatta. Am Start sind drei Boote, einfache Holzboote, der Mast wird eingesteckt und die Segel hochgezogen. Es sieht alles ziemlich prekär aus und wir fürchten, dass die kiellosen Boote gleich kentern werden.

Während wir zuschauten, wie die Boote vorbereitet werden, plaudere ich mit Martin, einem Insular, der hier für die Inselverwaltung arbeitet. Alle Boote würden hier gebaut, nur die Segel kauften sie, sagt er. Früher, vor dem Hurrikan von 2020 seien es noch viel mehr Segelboote gewesen, aber der Hurrikan habe die meisten zerstört und nun versuchten sie, sie langsam wieder aufzubauen.

Auch Martin beschwört den Zusammenhalt auf der Insel und sagt, dass viele Inselbewohner, auch wenn sie zeitweise weggehen, um Arbeit zu suchen, wieder auf die Insel zurückkehrten – weil man sich hier kenne, weil man ein ruhiges, friedliches Leben führen könne…. «und die Drogen, stiften die nicht Unruhe?», will ich wissen «Doch, sie sind ein großes Problem. Zu viele Inselbewohner suchen im Drogentransport einen Ausweg, wenn sie keinen Job finden. Für die Drogenmafia ist Providencia zudem ein guter Stopp, um Sprit aufzufüllen.»

Justiffer und Odin beim Flaschentausch

Als das Meer vor einem Monat fünf Packen Kokain angespült habe, habe er leider nichts abgekriegt, sagt Tauchguide Justiffer bei unserem zweiten Trip, aber Olin, der Kapitän unseres kleinen Tauchboots schon…. Die Drogenboote von Kolumbien kämen oft gar nicht nach Providencia rein, sondern die Inselbewohner würden rausfahren, um ihnen Sprit zu liefern oder sie würden die Fracht in ihren eigenen Booten weitertransportieren nach Nicaragua, Belize, Jamaica oder Mexiko. Falls wir ins Geschäft einsteigen wollten, würden die Gewinne variieren, je nachdem, wo wir die Drogen abliefern würden. Früher habe die kolumbianische Marine jedes Segelboot, das hier ankam, genau inspiziert, aber seit dem Hurrikan würden sie das nicht mehr tun. Justiffer spricht von 40’000 US-Dollar pro Kilo, die wir verdienen könnten – 60% davon für ihn, 40% für uns – wenn wir ein Kilo Kokain nach Europa oder noch besser nach China brächten. In der Schweiz wird ein Gramm für ungefähr 90 Franken verkauft, macht fast 100’000 Franken Marktwert für ein Kilo. Aber keine Sorge: Wir haben dankend abgelehnt.

Meist geht es nicht nur um ein Kilo. Im März 2022 beschlagnahmte die kolumbianische Marine 982 Kilogramm Kokain im Wert von 32 Millionen US-Dollar auf einem Schnellboot vor Providencia. Im September 2023 schnappte die Küstenwache von San Andres ein Schiff mit mehr als einer Tonne Kokain mit einem  Warenwert von über 40 Millionen US-Dollar auf einem Schnellboot, das in Richtung Mexiko unterwegs war. Die Drogenmafia setzt seit den 80er Jahren auch U-Boote ein, um die Drogen ungesehen nach Mexiko zu transportieren. Im 2023 hat die kolumbianische Marine 13 solcher Narco Subs aufgespürt – eines hatte mehr als 200 Kilo Kokain an Bord. Die Crew versuchte die Drogen zu versenken, aber es gelang ihnen nicht rechtzeitig.

Wenn’s schief läuft, dann endet man im Gefängnis oder stirbt. Die Drogenclans würden keine Gnade kenne, wenn ihre Ware verloren gehe, sagt Justiffer. Doch die Verlockung bleibe. Viele Junge, und man müsse jung und gesund sein, um die Drogen in einem kleinen Boot über mehrere Hundert Seemeilen zu transportieren, sähen die Drogentransporte als Alternative zur Joblosigkeit, sagt Melissa, die Insel-Sozialarbeiterin.  «Viele junge Männer riskieren alles und verlieren alles. Sie kehren nie mehr zurück vom Meer. Sie kentern oder werden umgebracht», sagt Melissa. Es sei vorgekommen, dass die zerhackte Leiche eines jungen Mannes in einem Koffer gefunden worden sei – weil er die Drogen gestohlen oder verloren habe. Doch die «Viajes de droga», wie die Drogentransporte hier genannt werden, hätten eine magische Faszination auf die Inselbewohner. «Die Kinder sehen, wie ihre Nachbarn und Freunde und Verwandten sich ein grosses Haus oder ein Motorrad leisten können und ins Ausland in die Ferien gehen. Sie sagen: Wenn ich gross bin, will ich auch Drogen-Reisen machen. Sie sehen es als Karriere, als Weg, reich zu werden», sagt Melissa, die auch in Schulen arbeitet.  

Provisionierung für den Tag

Als sie selbst noch zur Schule gegangen sei, hätten viele ihrer Mitschülerinnen gesagt: «Ich lerne nichts, mein einziges Ziel ist es, einen Drogenboss zu heiraten oder einen, der Drogen transportiert, um dann ein Leben in Luxus zu führen.» Filme wie jene über Drogenbaron Pablo Escobar hätten weiter zum Mythos beigetragen. «Einige meiner Freunde machten nur einen Transport, weil sie sagten, mit dem Geld kann ich mir ein Geschäft aufbauen, ein Haus bauen und ruhig leben.» Andere würden abhängig vom Goldrausch. Sie kämen nach dem Transport zurück, würden alle zu Trinkgeladen einladen. Jeder wisse, dass da einer das schnelle Drogengeld verdient habe. Dann sei das Geld weg und weil sie nichts anders könnten, müssten sie wieder und wieder Drogen transportieren. «Wenn wir dieses Problem lösen wollen, brauchen die jungen Leute eine gute Ausbildung und ein soziales Umfeld, dass sie darin bestärkt, nicht auf Risiko und schnelles Geld zu setzen, sondern auf eine gute Ausbildung und ein ehrliches Einkommen», sagt Melissa.

Mit unserer Drogenrecherche geht das alte Jahr zu Ende und das neue steht vor der Tür. Neun Boote liegen inzwischen in der Bucht, darunter drei Solosegler, die wir am 31. einladen, mit uns auf My Motu Abend zu essen. Da ist zum Beispiel dieser Amerikanische Solosegler, dem die Frau kurz vor der Durchquerung des Panama Kanals davon gelaufen ist. So ist er auf der Karibikseite geblieben, sucht jetzt eine neue Frau und verbringt die Zeit mit Ukulele spielen.

Fast alle Boote in der Bucht sind auf My Motu vertreten

Nach einem ausgiebigen Abendessen mit Knoblauch-Crevetten, Reis und Dahl beglückt er uns am Neujahrsabend mit seinem Ukulele Spiel. Auch Miks, ein anderer Solosegler, der sein ganzes Boot voller Elektronik hat, aber ebenfalls hier notstoppen musste, weil ein paar essentielle Dinge nicht funktionierten, ist gekommen. Nach dem Essen fahren wir alle an den Strand und machen ein Feuer, um das Neujahr willkommen zu heißen.

Nach zwei Wochen auf dieser wunderbaren Insel sind wir bereit zur Abreise. Aber nicht ohne nochmals vom Barkeeper zu hören, der uns Kokain mitgegeben wollte. Er hat noch eine andere Bitte, die er mir per Sprachnachricht zuschickte: «Please find me a woman from your country, a nice woman, ok?» Eine Frau, der guter Lobster und Fisch, Magic Mushrooms und wohl auch eine Nase Koks schmeckt – der Barmann ist euer Mann, meldet euch bei uns!

Ein Lagerfeuer zum Abschluss der Festtage, übermorgen verlassen wir Providencia

Nun geht’s weiter. Wir hissen die Segel und nehmen Kurs auf Panama, auf das Archipel von San Blas. Dort leben die Indigenen der Gunas in ihrem autonomen Gebiet. Wenn es ein Paradies auf Erden gibt, dann das.

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Veröffentlicht von Karin

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